Nostalgie

Auszug aus dem Buch “Bevor es zu spät ist”

An einem süßen Morgen, als der Frost auf den Grashalmen zu Tau schmilzt und unsere Nasen aus der Heckklappe spitzen, kriecht die kalte Morgenluft in unser warmes Zuhause.

Als würden wir nach langer Zeit auftauchen um zu atmen.

Sind das wir?

Sollten wir es lieber geschlossen halten, dieses Etwas, das uns unsichtbar verbindet? Das die Wärme der Sonne entzieht und uns in den Duft der Liebe hüllt?

Wir hätten es tun sollen. Wir hätten weiter unberührt daliegen sollen, nicht nachdenken, um uns nicht zu kümmern. Du hast ein wenig zu viel davon gesehen, wer ich wirklich bin. Jetzt sind da eine Million Fragen und wir werden durch den Fluss des Lebens gespült. In verbrauchter Luft, schwer und trostlos.

Ich blinzele. Tränen salzen meine Wangen. Noch bevor ich es merke, bin ich wieder in meinem Schlafzimmer. Ich staple die Fotos, eines auf das andere, und dabei ziehen Gesichter an mir vorbei, die von Fremden zu Liebenden wurden. Erst jetzt begreife ich, wie gut wir es hatten. Das Leben ist so vergänglich.

Ich halte ein Foto in meinen Händen. Du schaust mich mit großen Augen an. Ein freches Lächeln auf deinen Lippen, Federn in den Haaren und die selbst gebastelte Kette aus Kastanien um den Hals. Deine Augen rufen:

Bitte glaub mir. Da draußen wartet noch so viel auf dich. Die Wärme vom knisternden Lagerfeuer. Gespräche und Geschichten, die im flackernden Orangenschimmer erzählt werden wollen. Frühstück bei Sonnenaufgang, auf den höchsten Gipfeln. Lagunen, in die du nackig reinspringen wirst, unzählige neue Geschmäcker, die du kosten wirst. Auf der anderen Seite der Welt gibt es weite Strände, auf welchen du Barfuß rennen wirst. Es gibt so viele Küsse, die dich finden wollen, und Augenblicke, die dich vor Lachen zusammenbrechen lassen. Menschen, die du in dein Herz schließen wirst. Lass mich dir zeigen, dass Liebe nicht schwer sein muss. Du musst mir glauben.

Ich lächle. Meine gesalzenen Wangen spannen. Wo ist nur dieses lebensfreudige Kind in mir hinverschwunden?

Nostalgie ist weit mächtiger, als man es je zugibt. Der Duft der Erinnerung erfüllt mich mit einem melancholischen blau. Und ich glaube, es wird immer so sein. Erinnerungen, die einst gelebt wurden. Es ist mehr als nur Loslassen. Mehr als nur Weitermachen. Das Leben kann einsam sein. Menschen versuchen dazuzugehören. Wir stehen in diesen Räumen voller Hoffnungen, gesehen zu werden. Haben wir alle ein bisschen Angst zur Last zu werden, wenn wir uns verletzlich zeigen? Und was ist mit der Ehre darin, ehrlich darüber zu sein? Wir sind nicht dafür gemacht, uns zu isolieren. Und wenn du da draußen allein bist und die Kraft fehlt, dann hoffe ich, es kommt jemand, der dir seine leiht.

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Träume